Die Höchste Suche

Lebende Wesen werden unaufhörlich geboren und sterben. Empfindungen erscheinen und verschwinden fortwährend. Gedanken entstehen und treten wieder zurück. Dinge nehmen Form an und lösen sich wieder auf. Wünsche wachsen und schwinden. Auch Gefühle sind veränderlich und fließend. Was bleibt also hinter all den Bewegungen, den Schöpfungen und den unaufhörlichen Zerstörungen im Menschen und um ihn herum, das von Dauer ist? Ist es nicht eine lebenswichtige Pflicht für ihn zu streben, in seinem Inneren das Unveränderliche zu suchen, in dem Geburt und Tod und alle diese fortwährenden Veränderungen keinen Platz haben?“

Um dieses Unveränderliche zu kennen, ist es notwendig, in sich selbst zu schauen, meditieren zu lernen, einen authentischen Augenblick reiner innerer Stille zu kennen. Es geht darum, die wertvollen Ratschläge, die in diesem Buch entwickelt wurden, Schritt für Schritt auszuprobieren, speziell zur Gedankenkontrolle während der Meditation. Sie sind die Früchte einer intensiven, vierzig Jahre langen Meditationspraxis des Autors.

Edward Salim Michael betont insbesondere die Bedeutung der Gewohnheit, denn, so sagt er: „Der Mensch kann nicht vermeiden, ein Geschöpf der Gewohnheit zu sein. Er muss bewusst Gewohnheiten und Tendenzen einführen, die ihm bei seinen spirituellen Übungen helfen.“

Und um gegen die Routine anzukämpfen, wird der Sucher eingeladen, brennende Fragen über das Universum, das Bewusstsein, das Geheimnis von Leben und Tod kontinuierlich in sich am Leben zu halten.

Kapitel 1 – Meditation Teil 1  Die Erfahrung des Erhabenen

Im Grunde hat jede Meditationspraxis zum Ziel, den Aspiranten von sich selbst zu lösen – ihn zu lösen von seiner gewöhnlichen Individualität sowie von der üblichen Empfindung, die er, seit so langer Zeit in ihm verfestigt, von sich hat und die er aufgrund einer langen Konditionierung für seine einzige Identität hält –, damit er im Inneren seines Wesens den anderen Aspekt seiner Doppelnatur erkennen möge, der ihm normalerweise verborgen bleibt, weil sein Interesse und seine Aufmerksamkeit ununterbrochen ausschließlich auf die Außenwelt gerichtet sind.

Hinter dem dicken Schirm seiner körperlichen Form, hinter seiner gewöhnlichen Individualität und hinter seiner kleinen Welt und allem, was er als sich selbst ansieht, existiert im Menschen ein anderes universum von äußerster Feinheit und von größter ätherischer Durchsichtigkeit, ein unsagbares und leuchtendes inneres universum, das seine wahre natur ist, seine göttliche natur.

Um zu erreichen, sich von seiner üblichen Empfindung, die er von sich hat, und von seiner gewöhnlichen Individualität zu lösen, muss er eine ganz besondere Anstrengung machen, denn diese beinhaltet die Bemühung zu akzeptieren, seine Individualität aufzugeben. Aber die Gewohnheit ist extrem stark und hartnäckig und das Erreichen einer solchen Aufgabe (auch einer teilweisen), die sozusagen einen freiwilligen inneren Tod darstellt, erfordert von den meisten Suchern lange Jahre der Meditation und hartnäckige Kämpfe – unter der Bedingung, dass sie genügend ernsthaft und motiviert sind, um nicht unterwegs aufzugeben. Sie müssen dahin kommen, sich ausreichend von sich selbst zu lösen, um wenigstens einen gewissen Grad der Leere in sich zu schaffen – einer Leere, die unerlässlich ist, um ihnen zu erlauben, eine ganz andere Welt und ein ganz anderes Bewusstsein zu erkennen, die in ihnen in einem latenten Zustand verborgen sind.

Es zu schaffen, diese Leere in sich herzustellen, erfordert, zu akzeptieren, Namen, Form, Individualität, Wünsche, Vergangenheit, Zukunft etc. während der gesamten Zeit, in der der Aspirant zu meditieren sucht, zu verlieren, bis er eines Tages dahin kommt, von einer seltsamen und tiefen inneren Stille erfüllt zu werden; eine innere Stille, die ihm bis dahin unbekannt war und in der er, in Form eines sehr subtilen Erbebens, beginnen wird, in sich die ersten Manifestationen seines himmlischen wesens erwachen zu fühlen.

In dem Maße, wie es dem Aspiranten gelingen wird, die Dauer seiner Meditation zu verlängern und zu vertiefen, wird er beginnen, den Anfang seiner Befreiung und die Ausdehnung seines Bewusstseins zu spüren. Sein Bewusstsein wird ihm ins Unendliche zu wachsen und immer leuchtender, feiner und ätherischer zu werden scheinen. Außerdem wird er, an Stelle der dichten und schweren Materie seiner körperlichen Form, die er für gewöhnlich spürt, die unbeschreibliche Empfindung einer sehr subtilen und unaussprechlichen Transparenz ätherischen Seins erfahren.

Eine intensive Sehnsucht wird aus den Tiefen seiner selbst aufsteigen, ihn anregend, sich für immer diesem ungewöhnlichen Zustand des Seins hinzugeben – den er wie eine neue Geburt empfinden wird, die sich in ihm vollzogen hat; aber gleichzeitig wird er die Unmöglichkeit einer solchen Durchführung in diesem Stadium seiner spirituellen Evolution erkennen, denn er wird sich stets durch gewisse Neigungen und Wünsche in seinem Wesen, die noch nicht transformiert worden sind, beschwert und zurückgehalten fühlen.

Man muss die Tatsache in Betracht ziehen, dass es verschiedene Grade der Erleuchtung gibt – gemäß dem Niveau des Seins und des Bewusstseins des Suchers – und dass für die große Mehrheit der Aspiranten auf dem Pfad die Erleuchtung (wenn sie sie erreichen) nicht ihre Befreiung bedeuten wird. Sie können sogar (aufgrund gewisser alter Tendenzen, die in ihnen noch lebendig sind) weit davon entfernt sein

Nach dem, was über das Ziel der Meditation gesagt wurde, muss man trotzdem vorbereitet sein, die Tatsache zu akzeptieren, dass die Meditationspraxis keineswegs leicht sein kann, besonders für einen Anfänger. Die anhaltende Konzentration, die während der Meditation gefordert wird – eine Konzentration, die in jeder ernsthaften spirituellen Übung von fundamentaler Bedeutung ist – kann sich für manche Personen sogar als schwierig erweisen. Denn jede spirituelle Konzentration hat gerade zum Ziel, den Aspiranten von sich und von dem zu lösen und zu entfernen, was ihm geläufig ist, um ihn zu zwingen, in der Gegenwart zu bleiben – völlig dem entgegengesetzt, was er aus Gewohnheit tut.

Im Allgemeinen (außer in sehr kurzen Augenblicken flüchtiger Gegenwärtigkeit hie und da) schweift der menschliche Geist unaufhörlich ohne Kontrolle in der Vergangenheit herum oder befasst sich (aus berechtigter Furcht oder nicht) mit der Zukunft – mit allem, was diese ihm an Problemen bringen mag, die morgen, in der nächsten Woche oder im kommenden Jahr zu lösen sind. Es bedarf wirklich außergewöhnlicher Bedingungen (wie einer Gefahr für seinen Körper, tödlicher Krankheiten, Unfälle, Naturkatastrophen etc.), um ihn zu zwingen, in der Gegenwart zu bleiben. Und selbst dann – alles hängt vom Personentyp sowie von seinem Niveau des Seins ab – kann seine Gegenwärtigkeit aufgrund seiner Konditionierung immer noch partiell und mit dem vermischt sein, was sein gewöhnliches Ich fürchtet und unbewusst will oder nicht will.

Es ist gerade dieser Zwang, während seiner Meditation in der Gegenwart bleiben zu müssen, der den Anfänger überrascht und abschreckt. Denn in der Zeit, in der er groß geworden ist, hat er seine Gedanken und seine Gefühle passiv nur dorthin fließen lassen, wo es ihm gut erschien, ganz wie das Wasser eines Flusses in die Richtung fließt, die ihm den geringsten Widerstand bietet, das heißt, in die des Gefälles. Und ob es nun um das Wasser oder den Menschen geht, die Konsequenzen des Abstiegs sind identisch. Dem Wasser gleich, das bei seiner Abwärtsbewegung immer mehr Unreinheiten ansammelt, sammelt der Mensch, wenn er nicht wachsam ist, während seines unvermeidlichen Abstiegs auf seiner irdischen Reise zu Alter und Tod seines planetarischen Körpers Gewohnheiten und ungünstige Tendenzen an – Gewohnheiten und Tendenzen, die schwere Konsequenzen für seine spirituellen Möglichkeiten nach sich ziehen können.