Spiritueller Werdegang von Edward Salim Michael (1921-2006)

Der Preis eines bemerkenswerten Schicksals

Die Biographie Edward Salim Michaels, erzählt von Michèle Michael.

Aus dem Französischen übersetzt,
 April 2016.

Es ist bei Amazon als Taschenbuch und in der Kindle-Version erhältlich

Seine Jugend

Anglo-indischer Herkunft, verbringt Edward Salim Michael seine ganze Kindheit in verschiedenen Ländern des Nahen Ostens. Er wird nie die Möglichkeit haben, eine Schule zu besuchen oder eine Muttersprache sprechen.

Edward Salim Michael mit 17 Jahren

So findet er sich bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, ohne lesen und schreiben zu können und nur wenige englische Worte verstehend, in England wieder. Er wird als einfacher Soldat zum Bodenpersonal der Luftwaffe eingezogen. Dort begegnet er einem anglikanischen Pfarrrer, der ihm die Grundlagen des Lesens und Schreibens beibringt.

Die Musik

Die Frau des Geistlichen lehrt ihn die Gesetze der Musik, die er sich mit verblüffender Schnelligkeit aneignet. Sein erstes Orchesterwerk, nach nur zwei Jahren Unterricht komponiert, gewinnt in einem Wettbewerb und wird in der Albert Hall in London aufgeführt.

Nach dem Krieg setzt er seine Studien der Musik und der Komposition voller Begeisterung fort und wird Geigensolist. Nach drei Jahren Studium gibt er seine ersten Konzerte. 1949 wird durch eine weitere bedeutungsvolle Begegnung eine geheimnisvolle wortlose Erinnerung in ihm geweckt.

Der Beginn des  Weges

George Adie 85 Jahre alt

In London sieht er bei George Adie, einem Mitglied der Gurdjieffgruppen in England, zum ersten Mal in seinem Leben eine Buddhastatue. Er bleibt wie versteinert vor ihr stehen. Wieder zu Hause, bringt er sich sofort ohne Schwierigkeit in die gleiche Stellung, wie die der Statue, schließt die Augen und beginnt, sich auf einen inneren Ton zu konzentrieren, den er in seinen Ohren und der Tiefe des Kopfes hört, ohne zu wissen, dass das, was er tut, als Meditation bezeichnet wird, und dass der Ton, auf den er sich konzentriert, in Indien Nada genannt wird und eine Stütze für die Konzentration darstellt, was Buddhisten wie Hindus bekannt ist.

Parallel zu seiner Musikerkarriere widmet er sich nun mit seiner ganzen Leidenschaft und dem hohen Anspruch eines großen Künstlers seiner spirituellen Praxis. Dank seines außergewöhnlichen Konzentrationsvermögens, das er als Komponist entwickelt hat, macht er bald tiefe spirituelle Erfahrungen.

Da seine Eltern keine Religion praktiziert haben, ist er ohne jede religiöse Konditionierung.  Durch das Fehlen von Schulbildung und Bücherwissen bleibt er frei von Vorurteilen und Projektionen. Er folgt dem Weg direkter Erfahrung, jenseits aller Dogmen.

Komponist in Paris

Nadia Boulanger mit 90 Jahren

Anfang der fünfziger Jahre geht er nach Paris, um bei Nadia Boulanger  zu studieren, der größten Lehrerin musikalischer Analyse des zwanzigsten Jahrhunderts. Er schätzt ihre Strenge und empfindet ihr gegenüber eine tiefe Dankbarkeit.

A Paris, in den Sechzigern

Er lebt unter äußerst prekären Umständen von der Hand in den Mund, während er hartnäckig seiner Meditationspraxis nachgeht. Dazu kommt sein ständiger Kampf, unter allen Bedingungen des tätigen Lebens immer selbstgegenwärtig zu bleiben.

Er stützt sich auf den Nada, diesen inneren Ton, den er sowohl in der Meditation als auch im Tagesverlauf zu hören versucht. Er stellt fest, dass es extrem schwierig ist, auf Dauer wachsam und seiner selbst bewusst zu bleiben. Daher erfindet er zum eigenen Gebrauch alle Arten von Konzentrationsübungen, die er später an seine Schüler und in seinen Büchern weitergeben wird.
Nach fünf Jahren unaufhörlicher Bemühungen macht er im Alter von dreiunddreißig Jahren eine kraftvolle Erfahrung des Erwachens zu dem, was man die Buddha-Natur oder das Unendliche in einem selbst nennen könnte.

Gesundheitsprobleme zwingen ihn, seine Karriere als Geigensolist aufzugeben. Er widmet sich nun ausschließlich der Komposition, in der Pariser Welt um die Aufführung seiner Werke kämpfend. Da seine Musik (die er mit seinem ersten Vornamen Edward signiert), tonal geblieben ist, trifft er auf immer größere Schwierigkeiten, sie zur Aufführung zu bringen.

Indien

1968 entschließt er sich schweren Herzens, auch das Komponieren aufzugeben, um sich nach Indien zu begeben, dem Land seiner Großmutter, um sich künftig voll und ganz seinem inneren Weg zu widmen.

Indira Devi, 1973

Obwohl seine Suche nach einem Meister, der ihm helfen könnte, weiter zu kommen, vergeblich ist, kommt es zu bedeutungsvollen Begegnungen. Eine hellsichtige Heilige, Indira Devi, nimmt ihn voller Warmherzigkeit auf und erkennt seine spirituelle Verwirklichung. Da er regelmäßig verschiedene Ashrams besucht, gibt ihm Indira Devi zu verstehen, er solle seine Zeit nicht damit verlieren, einen äußeren Meister zu suchen: er müsse seinem eigenen Weg folgen.

Er verbringt sieben Jahre in Indien, in denen er mit unerschütterlicher Hartnäckigkeit seine Praxis der Meditation und der kontinuierlichen Konzentration im aktiven Leben verfolgt, um schließlich seinen Zustand des Erwachtseins dauerhaft zu machen.

Hatha-Yoga

Begeistert vom Hatha-Yoga, hatte er in Paris mit dessen Ausübung begonnen. In Poona, wo er sich zwei Jahre aufhält, übt er einige Monate mit Iyengar in Einzelarbeit. Als er darauf nach Madras zieht, vervollkommnet der Sohn von Krischnamacharia, T.K.V. Desikachar, seine Technik.

In beiden Fällen handelt es sich um reine Technik, sicherlich eine spektakuläre Wissenschaft von den Asanas, jedoch ohne  die Konzentration und die Selbstpräsenz, welche für Edward Salim Michael die Essenz einer spirituellen Praxis ausmachen.

Er übt drei Stunden am Tag Asanas und Atemkontrolle (Pranayama), um seinen Körper zu unterstützen, vor allem aber mit der Absicht, einen Zustand der Wachsamkeit und der Präsenz zu stabilisieren, zu dem Hatha-Yoga nur ein Mittel ist.

Nono Rinpoche

Nono Rinpoche

Gegen Ende seines Aufenthaltes in Indien trifft er mehrere tibetische Meister, darunter Nono Rinpoche, zu dem er sich sehr hingezogen fühlt. Dieser praktiziert tibetisches Hatha-Yoga und fordert ihn auf, sich ihm in seinem Kloster anzuschließen. Drei Monate später, bevor das Vorhaben realisiert werden kann, verlässt der tibetische Meister diese Welt.

Durch Umstände, die offensichtlich gegen ihn arbeiten, wird Edward Salim Michael gezwungen, Indien zu verlassen. Er kehrt nach Paris zurück und unterrichtet dort Hatha-Yoga, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Bald sind seine ersten Schüler mehr an seiner spirituellen Lehre interessiert, als an bloßem Hatha-Yoga.

Das  Schreiben seiner Bücher

Trotz seiner fehlenden Schulbildung akzeptiert er auf das Drängen seiner Schülerin Michèle Michael, die später seine Frau werden wird, sich mit ihrer Hilfe daran zu machen, sein erstes Buch zu schreiben, The Way of Inner Vigilance. Auf englisch verfasst, wird es 1983 in London publiziert und er signiert es mit seinem zweiten Vornamen Salim. Im Laufe der kommenden Jahre wird er sieben weitere schreiben, diesmal auf französisch.

Er lehrte bis 2002 und verließ diese Welt Ende November 2006.

Edouard Salim Michael, 1993