Meditation im langsamen Gehen und Atmen (Teil eins)
Es genügt nicht, nur in der Meditation, während man still sitzt, höhere Bewusstseinszustände erfahren zu haben. Man muss versuchen, diesen Zustand der inneren Sammlung so weit wie möglich auch während des Tätigseins aufrechtzuerhalten, um ein Kanal zwischen dem Höheren und dem Niederen zu werden und die göttliche Flamme zu den tieferen Ebenen des Seins und Daseins zu bringen, wo sie in einem selbst oder im äußeren Leben gebraucht wird. Ohne den Abstieg dieses erhabenen Lichtes in die düsteren Regionen des eigenen Selbst und des Lebens kann es keine Transformation geben – weder für den Menschen, noch für alle anderen empfindungsfähigen Geschöpfe und Dinge um ihn herum, die diesbezüglich auf ihn angewiesen sind.
Die Erfüllung dieses heiligen Zieles kann nur durch die bewussten Bemühungen des Menschen, sich zu transformieren, geschehen – was von ihm einen harten Kampf erfordert, mit einer gewissen Selbstaufopferung im Dienste des göttlichen. Andernfalls wird die Flamme des göttlichen bewusstseins, wie immer, in den höheren Bereichen seines Seins ihren Glanz erstrahlen lassen, während die tieferen Ebenen seines Seins, von einem Mantel aus Nebel und tiefer Dunkelheit umschlossen, davon abgeschnitten bleiben und nichts von diesem glänzenden Licht wissen werden. So kann man vielleicht beginnen, besser zu verstehen, welche Rolle dem Menschen im Universum zugeteilt ist, was von ihm verlangt wird und wie wichtig er als Bindeglied zwischen dem höchsten kosmischen geist und der Schöpfung in all ihren verschiedenen Manifestationen ist.
Selbst wenn man während der Meditation in gewissen privilegierten Momenten sehr hohe Bewusstseinszustände berührt, wird man, wenn man nicht genügend bereit ist, solch außerordentliche Erfahrungen zu tragen, finden, dass man, sobald man wieder zu einer Tätigkeit des Lebens zurückkehrt oder wieder mit anderen Menschen in Kontakt kommt, nahezu sofort die positiven Wirkungen der Meditation verliert. Von diesen anscheinend entgegengesetzten äußeren Bedingungen nach unten gezogen, wird man erneut vom alten gewöhnlichen Selbst verschlungen werden und wird, ohne es vielleicht gleich zu merken, fortfahren, wie zuvor vor allem aus eingefleischten Gewohnheiten und Glaubensvorstellungen heraus zu reden und zu handeln – fast immer aus einem persönlichem Interesse und ungesehenen Motiven heraus, die von der gewöhnlichen Seinsebene aus schwer wahrgenommen werden können. In solchen Augenblicken wird man an diese höheren Seinszustände und erhabenen Gefühle, die man eventuell in der Meditation erfahren hat, nur „denken“ oder sich an sie „erinnern“, ohne sie tatsächlich in der Gegenwart zu „leben.“ …/
Darum ist es jetzt notwendig, eine neue und wichtige Meditationsübung aufzunehmen, die als Stütze für die Aufmerksamkeit eine äußerst langsame und besondere Art des Gehens benutzt, um zu lernen, auch während der Bewegung und später während aller Aktivitäten des Lebens diesen lebenswichtigen Zustand des Selbstgewahrseins besser aufrechtzuerhalten. Diese besondere Meditationsform kann nicht in der Öffentlichkeit praktiziert werden, sondern nur, wenn man alleine ist – aus Gründen, die dem Aspiranten einleuchten werden, wenn später auf die Details eingegangen wird.
Wenn der Aspirant eine Zeitlang mit dieser spirituellen Übung gearbeitet und sich hinlänglich mit ihr vertraut gemacht hat, wird er nicht nur einen ungeheuren Nutzen aus ihr ziehen und Hilfe bekommen, um sich seiner selbst während des Tätigseins besser bewusst zu werden, sondern er wird sie auch besonders wertvoll finden, wenn er an Tagen übermäßiger äußerer Belastung, die körperliche und geistige Ruhelosigkeit mit sich bringt, einen zu großen Widerstand in sich findet, um im Sitzen zu meditieren.
Sich vorbereiten
Wegen der außerordentlichen Langsamkeit, in der dieses Gehen ausgeführt werden muss, und weil sich der Körper selbst an dieser spirituellen Arbeit beteiligt, wirkt die Übung sowohl auf der körperlichen wie auf der geistigen Ebene besonders beruhigend. Auf jeden Fall wird der Aspirant später dieses langsame Gehen als Einleitung zu seiner täglichen Meditation sehr nützlich finden, selbst wenn er es nur wenige Minuten durchführt. Durch Wiederholung wird es als Signal und innere Vorbereitung dienen, um zu helfen, den Sucher in Bereitschaft und in die richtige Geistesverfassung zu versetzen, bevor er seine gewohnte Sitzhaltung einnimmt.
Des weiteren kann diese besondere Weise des Gehens zwischen zwei langen Meditationssitzungen von Wert sein, um Muskelspannungen oder Krämpfe zu lösen, ohne die Kontinuität der Konzentration zu unterbrechen. Sie sollte, wie gleich erklärt wird, in mehreren Stufen gelernt und geübt werden.
Der Sucher sollte immer damit beginnen, zwei Minuten sehr still zu stehen, um mit seinem ganzen Körper Kontakt aufzunehmen und – wie bei der Hatha-Yoga-Übung – in seiner stehenden Position eine spezielle innere Achse in Bezug auf seinen Rücken und seine Wirbelsäule zu finden. Wenn er innerlich aufnahmefähig ist und lernt, seinem Körper zu erlauben, das zu tun, wird er merken, dass sein Körper auf eine subtile Weise beginnen wird, aus eigenem Antrieb seine Haltung von innen nach außen zu berichtigen. Durch geheimnisvolle, fast unmerkliche innere Muskelbewegungen wird er nach und nach beginnen, sich aufzurichten und zu strecken. Wenn der Aspirant schließlich fühlt, dass er gut mit seinem Körper verbunden ist – ihn auf eine Weise „bewohnt“, wie er es normalerweise nie tut –, sollte er nun eine globale körperliche Empfindung von der Gesamtheit seiner selbst entwickeln. Außerdem muss er aufmerksam auf den Nada in Kopf und Ohren achten und gleichzeitig sein Bewusstsein in alle Richtungen, über die Wände seines Zimmers hinaus, ausdehnen.
Alle diese notwendigen Vorbereitungen sollten dem Sucher, zumindest in einem gewissen Grad, geholfen haben, ihn in einen anderen Zustand zu versetzen, einen ungewohnten Zustand der Bewusstheit seiner selbst und des inneren Gegenwärtigseins.
Der Sucher kann jetzt mit dem Gehen beginnen, das mit einer außerordentlich langsamen Bewegung der Füße durchgeführt werden muss, während er sehr sorgfältig darauf achtet, sein inneres Gleichgewicht und die aufrechte Haltung, die sein Körper eingenommen hat, aufrechtzuerhalten, ohne allmählich wieder zusammenzusinken, wozu er nach einer gewissen Zeit des Gehens neigen könnte.
Er soll sich auch ständig daran erinnern, seinen Kopf behutsam zur Decke zu strecken, indem er den Nacken leicht dehnt, während das Kinn leicht nach innen zur Kehle geneigt ist – eine Haltung, die er auch bei allen seinen sitzenden Meditationen einzunehmen lernen muss, da ihm diese Haltung als zusätzliche und besondere Hilfe dienen wird, um ihm zu helfen, wachsam und konzentriert zu bleiben.
Aufmerksam der Bewegung der Füße folgen
Es ist auch von besonderer Wichtigkeit, dass er seine Aufmerksamkeit fest auf die Bewegung seiner Füße gerichtet hält, während sie sich vorwärtsbewegen,. Er sollte sich in jedem Sekundenbruchteil vollkommen bewusst sein, wo sich sein Fuß, den er gerade vom Boden gehoben hat, befindet, indem er ihm während der ganzen Zeit, in der er sich in der Luft bewegt, aufmerksam folgt, bis er schließlich aufsetzt und den Boden wieder berührt. Nun muss sich seine Aufmerksamkeit unverzüglich dem anderen Fuß zuwenden, und er muss sich in gleicher Weise wachsam jeder Bewegung bewusst sein, von dem Moment an, da dieser den Boden verlässt, bis zu dem Moment, da er wieder aufsetzt.
Jeder Schritt vorwärts muss sehr klein sein. Die Ferse des Fußes, der nach vorne gesetzt wird, sollte nicht vor den Zehenspitzen des zurückbleibenden Fußes aufkommen.
Während des Gehens sollte der Sucher „durch“ die Wände des Raumes sehen, ohne seine Augen auf irgend etwas ruhen zu lassen, um nicht durch die Objekte abgelenkt zu werden, die ihn umgeben und heimlich Gedankenassoziationen in ihm hervorrufen. Wenn der Aspirant bis zum anderen Ende des Raumes gegangen ist, ist es wichtig, dass er sich nicht jedes Mal auf eine andere und zufällige Weise umdreht. Er muss immer die gleiche Zimmerwand als Orientierungshilfe für seine Drehung, nach der er zum entgegengesetzten Ende schauen wird, benutzen. Das heißt, wenn er an dem einen Ende ankommt, entschließt er sich, sich links herum umzudrehen, und wenn er den Raum wieder bis zu dem Punkt, an dem er ursprünglich begonnen hatte, durchquert hat, sollte er sich diesmal rechts herum umdrehen. Und an diese Regel sollte er sich, was diese Übung angeht, den ganzen Tag halten.
Um zu vermeiden, dass seine Arbeit mechanisch wird, sollte er sich aber am nächsten Tag, nachdem er zum anderen Ende des Raumes gegangen ist, statt links herum rechts herum drehen. Und nachdem er den Raum wieder bis zum Ausgangsort durchquert hat, sollte er sich jetzt links herum umwenden. Auch daran sollte er sich während der ganzen Übung des Tages strikt halten…../
Er wird immer wieder das Bewusstsein um seine Existenz verlieren
Wenn man nicht von Anfang an wenigstens ein intuitives Verständnis von der Bedeutung dieser Arbeit hat, sowie davon, was für einen auf dem Spiel steht und von der lebenswichtigen Notwendigkeit, diesen Kampf, wachsam und seiner selbst bewusst zu sein, durchzuhalten, dann wird man solcher Anstrengungen schnell müde werden und die Bequemlichkeit des gewohnten Zustandes, des Vergessens und des inneren Schlafes bevorzugen. Aber wenn der Sucher wirklich wachsam und aufrichtig bei seiner Suche ist, wird er tief betroffen feststellen, dass er nicht fähig ist, von einem Ende des Raumes zum anderen zu gehen, ohne zu beginnen, in sich zu schlafen!
Anfangs wird sich der Sucher immer wieder vergessen und während der gesamten Übungszeit ständig das Bewusstsein von seinem Dasein verlieren. Es ist sehr wichtig, jedes Mal, wenn diese geheimnisvolle, nach innen gerichtete Bewegung der abrupten Rückkehr zu sich selbst in ihm stattfindet und ihm das merkwürdige Gefühl des plötzlichen inneren Erwachens aus einem unerklärlichen hypnotischen Zustand gibt, bewusst die Tatsache zu beachten, dass er nur einen Augenblick früher abwesend gewesen ist, ohne sich deswegen irgendwie irritieren oder entmutigen zu lassen. Ferner hat er zu lernen, die Wichtigkeit und die tiefe Bedeutung dieser rätselhaften, nach innen gehenden Bewegung zu schätzen, die im Verborgenen in ihm geschieht und sein Sein subtil in einer Weise erleuchtet, dass er dieses seltsame Gefühl bekommt, erneut aus einem unverständlichen hypnotischen Schlaf geweckt worden zu sein. So wird die Wahrnehmung eines anderen Bewusstseinszustandes ermöglicht, der sich sehr von seinem üblichen unterscheidet.
Der Sucher sollte das alles rasch in sich aufnehmen, ohne sein Gehen in irgendeiner Weise zu unterbrechen – wobei er die Bewegung seiner Füße als zeitweilige Unterstützung für seine Aufmerksamkeit benutzt. Er muss aufpassen, die Geschwindigkeit seines Gehens nicht aus Gewohnheit unwillkürlich zu beschleunigen, wozu er anfangs oft neigen wird, wenn niemand da ist, der ihn überwacht. Außerdem sollte er jedes Mal, wenn er in sich auf Widerstand stößt, mit seiner Aufmerksamkeit bei der Bewegung seiner Füße zu bleiben, sein Gehen noch mehr verlangsamen. Das wird ihm helfen, seine Aufmerksamkeit zu seinen Füßen zurückzubringen. Wenn die Konzentration des Suchers sehr scharf und anhaltend geworden ist, wird er erstaunt wahrnehmen, wie schrill und stark dieser mystische Ton in seinen Ohren vibriert, wie ein göttliches Zeichen, das ihm gütig zur Seite steht und ihn beflügelt, weitere Anstrengungen zu machen.