7 – Die Vereinigung des Seins

Der Sucher wird bei diesem subtilen Kampf mit sich selbst eine große Hilfe bekommen, wenn er die Wichtigkeit der Vereinigung von Körper, Geist und Gefühl versteht. Für gewöhnlich ist man immer in sich geteilt. Man muss lernen, ganz zu sein – wenigstens manchmal -, wenn man hoffen möchte, eine gewisse Schwelle in sich zu überschreiten, indem man sich von dem löst, was man gewöhnlich ist.

Du Fond des Brumes (Aus der Tiefe des Nebels) –
Vortrag: Die Vereinigung der drei Seiten der menschlichen Natur, notwendig für die Meditation.

Der Sucher muss das schlechte Funktionieren einer Dreiheit in seinem Wesen wahrnehmen, die aufgrund der Konditionierung, die er in seiner Kindheit durchgemacht hat, niemals als Einheit arbeitet. Normalerweise ist die Dreiheit in ihm, ohne dass er es weiß, auseinandergefallen; auf diese Weise hindert sie ihn daran, bei dem, was er auszuführen sucht, „ganz“ zu sein, sei es bei seinen spirituellen Übungen oder auch bei seinen Tätigkeiten im äußeren Leben.
Gerade sein Geist, sein Gefühl und sein Körper bringen es aufgrund langer Gewohnheit nicht fertig, genügend geeint und miteinander in Einklang zu sein, um dem Sucher bei dem helfen zu können, was er zu erreichen beschlossen hat, und das, obwohl er glaubt, bei seiner spirituellen Herangehensweise ernsthaft zu sein.
Sein Geist sollte unablässig mit dem Objekt seiner Konzentration beschäftigt sein; sein Körper muss mit einer umfassenden Empfindung beteiligt sein, die er durchgehend  aufrechtzuerhalten versuchen muss; und schließlich muss ihn sein Gefühl mit einer tief hingebungsvollen Haltung unterstützen, die er kontinuierlich in seinem Wesen erzeugen muss.

Les obstacles à l’ilumination et à la Libération (Hindernisse für Erleuchtung und Befreiung) – Kapitel 6

Wenn sich der Sucher durch eine ernsthafte Selbsterforschung besser kennen lernt, wird er verstehen, auf welche Weise diese Trinität in ihm praktisch nie als Einheit arbeitet. Er wird finden, dass sein Geist manchmal einverstanden ist, sich an den Bemühungen zu beteiligen, während der Meditation oder der spirituellen Übungen, die er im aktiven Leben ausführt, konzentriert zu bleiben, dass aber sein Gefühl woanders ist, mit einer Art Melancholie, einer unbestimmten Nostalgie oder einer vagen Unzufriedenheit mit jemandem oder etwas, beschäftigt; bei anderen Gelegenheiten ist es sein Körper, der sich weigert, bei seinen spirituellen Übungen mitzumachen, und zwar aus Trägheit, Müdigkeit, sinnlichen Begierden oder merkwürdigerweise sogar aus einem körperlichen Wohlbefinden heraus. Doch ist es in erster Linie sein fieberhafter Geist, der das Haupthindernis bildet und den er kontrollieren muss, um in der Lage zu sein, konzentriert zu bleiben. Der Geist bewegt sich ständig, beschäftigt mit Erinnerungen aus der Vergangenheit, der Vorwegnahme der Zukunft oder mit etwas, das ihn anzieht und das er nicht loslassen möchte. Folglich erfährt der Aspirant nie eine ausreichende innere Ruhe, um die Freiheit zu haben, sich dieser schwierigen Aufgabe zu widmen, gegenwärtig und wahr in sich zu bleiben, wenn er seine verschiedenen Konzentrationsübungen durchführt.
Des Weiteren muss er verstehen, dass er, wenn eine einzige Seite in ihm zustimmt, sich an seinen spirituellen Übungen zu beteiligen, während die anderen zwei unschlüssig sind oder ganz deutlich bremsen, eine nur geringe oder gar keine Chance haben wird, es zu schaffen, konzentriert zu bleiben, sei es nun, während er eine Konzentrationsübung im aktiven Leben macht oder während er meditiert – oder auch nur einverstanden zu sein, sich dem Kampf mit seiner rebellischen Aufmerksamkeit zu verpflichten. Wenn dagegen zwei von drei Seiten zustimmen, bei seinen Versuchen, konzentriert zu bleiben, zu kooperieren, wird er eine größere Wahrscheinlichkeit haben, auch die letzte mitzuziehen, um eine effektivere Arbeit an sich durchzuführen.

Les Fruits du chemin de l’Eveil (Die Früchte des Weges zum Erwachen) – Kapitel 7

Die Tatsache in Betracht ziehend, dass der Sucher aus einer Dreiheit besteht, nämlich seinem Körper, seinem Geist und seinem Gefühl, ist es für ihn unabdingbar zu verstehen, dass es von diesen drei Elementen das Gefühl ist, das die treibende Kraft darstellt, durch die er in der Lage sein wird, das Rad seiner spirituellen Arbeit in Bewegung zu halten.
Es ist das Gefühl, das einem großen Pianisten die Fähigkeit verleiht, vor einem anspruchsvollen Publikum aus dem Gedächtnis hochkomplexe musikalische Werke, die Tausende und Abertausende von Noten sowie unzählige Veränderungen in Rhythmus und Harmonie enthalten, zu spielen, ohne den geringsten Fehler zu machen. Das gleiche Prinzip gilt für den Sucher; er muss sich dessen bewusst werden, dass es sein Gefühl ist, das seinen Geist und seinen Körper auf eine Weise verbinden kann, die ihn befähigt, seine Meditationsübungen mit einer hinreichenden Intensität auszuführen, damit er mit einer anderen Welt in sich in Berührung gebracht werden kann, einer leuchtenden Welt, die er als heilig zu erkennen nicht umhin kann.

Dans le Silence de l’Insondable (In der Stille des Unergründlichen) – Kapitel 13

Wenn es ihm eines Tages gelingt, diese Selbstaufgabe so zu vollziehen, wie er es in Wirklichkeit tun sollte, d.h. mit seiner ganzen Kraft und mit äußerster Aufrichtigkeit, wird sich plötzlich etwas Unaussprechliches in ihm bemerkbar machen. Es kann aber sein, dass er zu Beginn dieser so ungewohnten und unerwarteten Erfahrung, die ihm das merkwürdige Gefühl gibt zu verlieren, was er für seine Identität gehalten hatte – und sich infolgedessen nicht mehr wiederzuerkennen –, von Furcht erfasst wird! Die Gewohnheit im Menschen ist so hartnäckig, dass das plötzliche Gefühl, sich nicht wiederzuerkennen, ihm anfangs große Angst einzujagen droht. Wenn er es jedoch schafft, diese Furcht zu überwinden, um seine Höhere Natur – die, wie er erkennen wird, Göttlich ist – entdecken und sich in Sie verwandeln zu können, wird er sich von einem geheimnisvollen Frieden erfüllt finden, in dieser Welt unbekannt, zu dem die unbeschreibliche Freude hinzukommen wird, endlich den gewöhnlichen Aspekt seiner selbst als das identifiziert zu haben, was er wirklich ist: ein Lügengewebe, das sich durch seine unkontrollierten Impulse und seine unersättlichen Wünsche nach Sinnesfreuden nur als eine Quelle von Leiden erweist!