1 – Innere Evolution

Der Mensch trägt in sich die Potentialität einer inneren Evolution, durch die allein er das Glück und die Vollständigkeit finden kann, denen er außen vergeblich nachläuft.

Bewusst oder unbewusst lebt man in einer ständigen Unzufriedenheit. Die Freuden sind flüchtig, die Lebewesen und die Dinge unvollkommen. Unser zerbrechlicher Körper, der ernährt und geschützt werden muss, unterliegt Krankheit, Alter und Tod. Man ist unaufhörlich in einem geistigen Universum verloren, voller Sorgen, die sofort aufgelöst werden sollen, und so geht das Leben dahin bis zu dem Tag, wo der Tod sich vor einem erhebt, ohne dass man den Sinn der Reise auf dieser Erde verstanden hätte, noch was uns nach dem Zerfall unseres physischen Körpers erwartet.

Nun trägt der Mensch Potentialitäten in sich, die ihm erlauben, die Antworten auf das Geheimnis dieser Welt und gleichzeitig die letzte Befriedigung zu finden, der er vergeblich hinterher läuft. Es ist ihm möglich, zu anderen Bewusstseinsebenen zu gelangen und so seine Göttliche Quelle zu entdecken, von der er für gewöhnlich getrennt ist.

Diese Quelle durch eine direkte Erfahrung zu erkennen, anders gesagt, Erleuchtung zu erfahren, ist das Ziel des irdischen Lebens. Dieses Ziel kann nach dem Tod nicht erreicht werden, denn wir brauchen die Bedingungen der manifestierten Welt, um dorthin zu kommen.

Dans le silence de l’insondable (In der Stille des Unergründlichen) Kapitel  1

Außer der Bewusstseinsform, in der der Mensch sein Leben verbringt und die er in seiner Unwissenheit für die einzig mögliche hält, gibt es eine ganze Stufenleiter verschiedener Bewusstseinsebenen, die bis zum Höchsten, beziehungsweise Göttlichen Bewusstsein hinaufreicht, ein Unkonditioniertes Bewusstsein von höchster Reinheit, das in Wirklichkeit seine wahre Natur ist, seine Buddha-Natur – die zu erkennen ihm gelingen muss und in der zu bleiben er lernen muss, um in der Lage zu sein, seinem Tod so gegenüberzutreten, wie er das an dem Tag tun muss, an dem er aufgerufen wird, diese Welt zu verlassen.
Durch eine ernsthafte Meditationspraxis ist es ihm möglich, dieses Reine Leuchtende Bewusstsein zu erreichen, auf dem seine Hoffnung auf Befreiung ruht und dank dessen er beginnen kann, mit genügender Klarheit die Tragödie des geistigen Labyrinths wahrzunehmen, in dem er sich gefangen sieht – ein Labyrinth, das er unwissentlich mit seinen undisziplinierten Gedanken aufgebaut hat, die ohne bestimmtes Ziel unaufhörlich in seinem Geist kreisen. /…/

Um ein besseres Verständnis von dem zu bekommen, was von ihm auf einem Gebiet verlangt wird, das über das Gewohnte hinausgeht, ist es für den Aspiranten wichtig zu begreifen, dass die Evolution des Bewusstseins im Menschen, wie er es normalerweise kennt, nur das Ergebnis eines automatischen Prozesses ist, den die große Natur ohne bewusste Beteiligung von seiner Seite in Gang gesetzt hat und der sich als sehr begrenzt erweist, denn das Bewusstseinsniveau, das der Mensch gewöhnlich besitzt, entspricht nur dem Allernötigsten, um sein physisches Überleben zu sichern.
Nun hat er aber die Möglichkeit, diese Begrenzung zu überschreiten und einen Bewusstseinszustand jenseits des Zeitlichen zu erreichen; diese Evolution – die in Wirklichkeit eine innere Evolution ist und die sich wesentlich von dem unterscheidet, was er sich im Allgemeinen darunter vorstellt – erfordert allerdings bewusste und kontinuierliche Anstrengungen von seiner Seite.

Les obstacles à l’illumination et à la libération (Hindernisse für Erleuchtung und Befreiung) Kapitel 4

Ziel jeder Konzentrations- und Meditationspraxis ist es, den Aspiranten von seiner üblichen Art zu denken, zu fühlen und zu sein loszulösen, damit es ihm gelingen kann, sich seiner selbst auf eine völlig andere Weise bewusst zu werden, als die, in der er es normalerweise ist.
Diese Bewusstheit seiner selbst, die für den Sucher in seinem gewöhnlichen Zustand des Seins nicht zugänglich ist, ist eng mit einem ganz speziellen inneren Gegenwärtigsein verknüpft, das befreiend, transformierend und therapeutisch zugleich wirkt.