11 – Früchte der Übung

Wenn es dem Aspiranten gelingen kann, einen Zustand intensiven Selbst-Gegenwärtigseins aufrechtzuerhalten, und zwar sowohl in der Meditation als auch im tätigen Leben, wird er beginnen, die Barrieren von Zeit und Raum zu überschreiten und spirituelle Erfahrungen zu machen, die sein Verständnis von sich und von der Welt, die ihn umgibt, für immer transformieren werden.

Der Weg der inneren Wachsamkeit – Kapitel 28

Wenn der Aspirant das Stadium erreichen kann, wo seine Aufmerksamkeit  ohne zu schwanken aufrechterhalten wird, wird er anfangen wahrzunehmen, dass sacht eine sehr subtile „Verinnerlichung“ und ein „Hinabsteigen“ in ihn selbst stattfindet. Eine merkwürdige Hitze wird beginnen, sich von seinem Bauch aus über den Körper auszubreiten und eine sehr ungewöhnliche Empfindung der Kontinuität des Seins wird ihn erfüllen. Es wird das eigenartige Gefühl in ihm entstehen, geheimnisvoll schwerelos zu sein, als ob er wie eine scheinbar bewegungslose Wolke, die an einem windstillen Tag am Himmel hängt, im Raume schwebte, bis er schließlich beginnen wird, mit dem Raum zu verschmelzen und der Raum selbst zu werden. Eine äußerst feine und ätherische Energie wird sich sanft in seinem ganzen Wesen ausbreiten, seine Wahrnehmung von sich selbst und sein Bewusstsein auf wundersame Weise transformierend. Dieses außergewöhnliche Gefühl der Durchsichtigkeit des Seins und Bewusstseins wird eine unvergleichliche Glückseligkeit und einen köstlichen Frieden, jenseits aller Worte, mit sich bringen.
Darüber hinaus wird dieser erstaunliche Nada sein geheimnisvolles Lied im Inneren seines Kopfes singen, und sein Kopf wird merkwürdig durchsichtig zu werden scheinen, während sich sein Bewusstsein nach allen Richtungen ausdehnen wird.
Dieser erhabene Nada wird in seinen Ohren mit solch überirdischer Schönheit und Intensität singen, dass der gesamte Kosmos mit ihm zu klingen scheinen wird. Es wird ihm so vorkommen, als ob nichts anderes existiere neben diesem rätselhaften Gesang des Göttlichen, der aus all den subtilen Harmonien und Ultratönen in der mystischen Welt zusammengesetzt ist, die für immer weit ins Unendliche durch den Raum schwingen – während dieser seltsame Gesang ewiglich eine geheime Botschaft an diejenigen aussendet, die Ohren haben, um zu hören, und eine feinfühlige Intuition, um ihn zu verstehen und zu würdigen. Manchmal könnte es dem Aspiranten sogar vorkommen, als ob dieser Urklang oder diese Urschwingung das Göttliche sei!

Les Fruits du Chemin de l’Eveil (Die Früchte des Weges zum Erwachen) – Kapitel 6

Wenn es einem Aspiranten gelingt, wirklich zu sehen, was vor ihm ist, sei es ein Tier, ein Berg, eine Pflanze, etc., hat er es auf eine Weise, die dem Durchschnittsbürger unbegreiflich ist, besessen! Er hat sich einen besonderen Reichtum erworben, der mit den vergänglichen Gütern dieser Welt nichts zu tun hat. Wenn es ihm als Folge seiner Bemühungen, sich seiner selbst intensiv bewusst und gegenwärtig zu bleiben, gelingt, das, worauf sein Blick ruht, wirklich zu sehen, einen Rosenstrauch zum Beispiel, und diese für ihn ungewohnte Weise zu schauen lange genug aufrecht zu erhalten, wird er, wenn man das so sagen kann, das Wesen dieser zarten Pflanze durchdringen können, und zwar in der Weise, dass zwischen ihnen beiden eine sehr subtile Kommunikation hergestellt wird, durch die er beginnen wird, die Art Bewusstsein und Empfindung, die dieser eigen sind, die Form der Freuden und Ängste, die sie fühlt und ihre Art der Reaktion angesichts eines unmittelbar drohenden Todes, usw., zu erfassen. In diesem außergewöhnlichen Moment wird er betroffen entdecken, dass selbst ein scheinbar lebloser Stein eine Form des Bewusstseins kennt. In Wirklichkeit gibt es im Universum nichts, das nicht lebendig ist!

Der Weg der inneren Wachsamkeit – Kapitel 14

Gelingt es dem Sucher, den Ton unter so schwierigen Bedingungen festzuhalten, ohne ihn zu verlieren, wird schließlich ein Moment kommen, wo er sich seltsam von sich selbst entfernen und beginnen wird, alles um sich herum aus einer völlig anderen Perspektive zu sehen. Er wird fühlen, dass sich sein Sehen unerklärlich außen an die höchste Stelle seines Hinterkopfes, zurückgezogen hat, von wo aus er schweigend und unparteiisch alles, was um ihn herum vorgeht, als Zeuge miterlebt. Und er wird sehen, dass sich alles in einem kontinuierlichen Zustand des Fließens befindet. Aus dieser unbeteiligten Position wird er wahrnehmen, dass es in keinem der belebten oder unbelebten Objekte, auf die sein Blick trifft, auch nur irgendetwas Beständiges gibt. Das gesamte Panorama der äußeren Existenz wird sich vor ihm wie ein seltsamer und phantastischer Traum zu entfalten scheinen. Und er wird hinter all dem, sozusagen mit seinem geistigen Auge, geheimnisvoll die Einheit aller Dinge sehen – „das“, was ihn und alle Wesen und Dinge gleichzeitig durchzieht.

Les Obstacles à l’Illumination et à la Libération (Hindernisse für Erleuchtung und Befreiung) – Kapitel 8

Gehübung im Freien

Er muss die Bemühung, konzentriert zu bleiben (ohne auf ein Ergebnis zu lauern), immerzu halten, unermüdlich aufrechterhalten, bis er dahin kommt, sich jenseits der phänomenalen Welt und der Zeit zu fühlen.
Dann wird er die Beweglichkeit und Flüchtigkeit des existentiellen Lebens in ihrer ganzen Wirklichkeit sehen, ein ewig sich veränderndes existentielles Leben, das er als von sich getrennt wahrnehmen wird. Und durch die Ausdehnung des Bewusstseins, die in diesem Moment stattfinden wird, wird sich die Bewegung der Zeit ebenfalls verändern. Alles wird vor ihm wie in einem seltsamen vergänglichen Traum ablaufen – ein vergänglicher Traum, aus dem er erwachen wird und den er mit dem rätselhaften Blick eines schweigenden und unbeweglichen Zeugen betrachten wird, der ihm auf eine gemeinhin unerklärliche Weise er selbst zu sein scheint!
Der Sucher darf sich nicht  mit dem bloßen Lesen der Ergebnisse der Bemühungen eines anderen zufriedengeben und diese passiv akzeptieren. Er muss es selbst erproben, durch eine direkte innere Wahrnehmung, die das Ergebnis seiner eigenen Bemühungen sein wird.